Windelfrei – also einem Baby einfach keine Windel anziehen? Ja! Achtsam sein, die Zeichen des Kindes lesen und abhalten. So der Plan, für eine gute Kommunikation zwischen Eltern und Baby und weniger Plastikwindeln.
Das Thema Windeln
Schon weit vor meiner Schwangerschaft hat mich das Thema (Plastik-)Mist und Müllvermeidung, mit meinem Less Waste Ziel, schon ein Weilchen begleitet. Darunter fallen natürlich auch Plastikwindeln.
Ich will also eigentlich schon seit Langem keine Plastikwindeln verwenden. Mittlerweile bin ich in der Situation, dass es wirklich Thema ist.
„Windel“-Möglichkeiten
Für mich gab’s beim Thema Windeln immer 3 Möglichkeiten:
- Plastikwindeln. Also die ganz normalen Windeln, die man in jeder Drogerie kaufen kann. Die wollte ich aber nicht, weil ich will ja nicht so viel Mist produzieren. (Zudem sind diese Dinger, bei dem Verbrauch den man hat, furchtbar teuer..)
- Windelfrei. Also das Gegenteil davon, nämlich einfach gar keine Windeln tragen. Dabei wird das Baby bzw. Kind, wenn es aufs Klo muss, „abgehalten“ – also einfach über eine Schüssel, Lavoir, Toilette, Waschbecken, Wiese oder vlt. auch mal Kanaldeckel gehalten, um sich dort zu erleichtern.
- Stoffwindeln. Das Mittelding, bei dem das Baby zwar eine Windel trägt, aber eben keine aus Plastik, sondern aus Stoff. Die Variante ist dann deutlich nachhaltiger als Plastikwindeln, weil man eben kein Plastik verwendet und die Stoffwindel bzw. die Einlagen darin einfach immer wieder (in der Waschmaschine) wäscht.
Meine Entscheidung für Windelfrei
Wenn schon, denn schon hab ich mir gedacht..
„Indigene Völker schaffen’s auch ganz ohne Windeln, also warum ich nicht auch?“, „Ist ja nur ein bisschen achtsam sein und die Sprache des Kindes lernen.“, „Wird schon nicht so schwer sein“, hab ich mir gedacht.
Es stand also eigentlich schon vor meiner Schwangerschaft fest, dass ich Windelfrei zumindest probieren – bzw. durchziehen – möchte.
Also, mittlerweile nach dem Versuchs Windelfrei, muss ich gestehen: Es ist doch schwerer als gedacht. Aber ans aufgeben denk ich noch lange nicht, denn es zahlt sich für mich trotzdem 10x aus! Warum, erzähl ich gleich.
Windelfrei
Die Bezeichnung sagt eh schon alles: Das Baby hat einfach gar keine Windel an (auch keine Stoffwindel).
Natürlich heißt das nicht, dass man das Baby sich ständig anmachen lässt und dann alles wäscht, dass angemacht wurde.
Bei Windelfrei hält man das Baby ab. Also wenn es das Signal zu „ich muss aufs Klo“ gibt, hält man es wo hin/drüber, wo es sich erleichtern kann – etwa ein Schaffl, Waschbecken, Wiese oder ähnliches.
Das Signal „ich muss aufs Klo“ ist dabei einfach eine Form des Unwohlseins – also Quengeln, Zappeln, Gesicht verziehen, halt von Kind zu Kind unterschiedlich. Bei uns ist es meistens ein Zappeln und mit den Beinen „stampfen“.
Um uns ein bisschen zu informieren waren wir hier bei einem Vortrag zum Thema. Davor dachte ich auch es gibt eindeutigere Signale, die auf Hunger, Klo, Schmerz etc. hindeuten. Beim Vortrag hat es hingegen geheißen, dass die Eltern schon selber herausfinden müssen was das Bedürfnis genau ist, das Kind zeigt nur an, dass es irgendwie aus der Balance gekommen ist – also ein Bedürfnis (Hunger, Ausscheiden, Aufmerksamkeit), Schmerzen (Bauchweh) oder sonstiges hat.
Ich kann das bisher so bestätigen, bei uns schaut Hunger und „ich muss aufs Klo“ erstmal gleich aus. Bei Hunger gibts dann meist noch Zusatzsignale, aber die abzuwarten dauert zu lange, wenn das Signal dann für „Klo“ gedacht war.
Also wie bei dem Vortrag gelernt versuche ich halt zu antizipieren was für ein Bedürfnis hinter dem Signal des Babys stehen könnte: zB wenn ich gerade gestillt hab wird das Zappeln kaum „Hunger“ bedeutet. Nach dem Stillen bin ich also beim kleinsten Zappeln sofort aufs Klo (in unserem Fall das Waschbecken im Bad) gerannt. In den allermeisten Fällen hat dann auch mit dem Pippi gehen geklappt.
Unsere ersten Erfahrung mit Windelfrei
Wir haben das Experiment gestartet, als das Baby rund 4 Wochen alt war.
Die ersten Tage nach der Geburt waren wir mit dem neuen Alltag mit Baby – Schlafentzug, stillen, Baby richtig halten, umziehen, schreien etc. – schon gefordert genug. Wir hatten beide keinerlei Erfahrungen mit Babies und auch keine in unserem Umfeld, bei denen wir uns etwas abschauen hätten können. Daher haben wir beschlossen erst mit der Umstellung auf Windelfrei zu starten, wenn wir unser Baby ein bisschen kennen gelernt haben und die ersten Abläufe eingespielt sind.
Um das ganze stressfreier zu gestalten haben wir parallel zu unseren Windelfrei-Versuchen normale Windeln angehabt und diese immer ausgezogen, wenn wir ein Signal (meinen zu) sehen und dann die selbe wieder an. Wir haben uns vorgenommen, dass wir das so lange machen bis die Trefferquote so gut ist, dass wir nicht ständig das gesamte Gewand bzw. das worauf unser Baby gelegen ist waschen müssen.
Ab und zu – in ausgewählten Zeiten – haben wir die Windel aber schon komplett weggelassen. Einfach weil’s für uns ein zusätzlicher Anreiz ist noch genauer zu schauen – die praktische Windel, bei der es dann doch irgendwie wurscht ist, wenn was daneben geht, gibts dann nicht.
Außerdem wurde irgendwann unser „Nacht-Schaffl„ aktiviert. Also ich hab eine kleine Lavoir nebens Bett gestellt, in das ich in der Nacht abhalte.
In der Nacht trägt das Baby prinzipiell aber immer eine Windel. Ohne Windel hätte ich ständig den Stress, dass das Bett und die Matratze nass werden würde. Und wenn ich nicht ordentlich schlaf und unter tags nicht mehr „funktioniere“, hat auch keiner was davon.
Bevor das Nacht-Schaffen aktiviert wurde, bin ich auch in der Nacht immer ins Bad gegangen, um zu abzuhalten, oder zu wickeln, wenn die Windel schon voll war. Das ins Bad gehen hat aber den Nachteil, dass da Baby und ich wirklich richtig wach sind. Mit dem Schaffl kann das Baby so im Halbschlaf weiterdösen und schläft auch wieder schneller richtig ein. Also ab dem Zeitpunkt wo das Schaffl etabliert war, gab kein „ins Bad gehen“ mehr.
Außerdem gibt’s bei uns auch Trick 17: Nämlich nach dem Stille und nach dem Aufwachen gehe ich immer mal auf’s Klo. Manchmal muss ich dann ein bisschen warten, aber es wird fast immer aufs Klo gegangen.
Unsere Trefferquote nach 4 Wochen Windelfrei-Versuchen
Also wir sind sicher noch nicht so weit, dass man behaupten könnte Windelfrei „funktioniert“ bei uns.
Nach rund einem Monat lockerem und stressfreiem probieren sind wir bei einer Trefferquote von schätzungsweise 70%. Bei rund 15 Mal Pippi am Tag macht das ca. 10x am Tag „huhu, geschafft“ und 5 Windeln, die gewechselt, bzw. Hoserl, die gewaschen, werden wollen. (Wobei ich damit für 4 Wochen und keinerlei Vorverfahren recht zufrieden bin.)
Wir erkennen schon recht oft, dass da grad irgendwas nicht passt. Aber es gibt genug Möglichkeiten warum’s mal nicht klappt:
- Manchmal vertun wir uns mit der Einschätzung und glauben zB er hat Hunger, wobei er eig. aufs Klo muss und dann macht während ich ihn gerade stille. Was auch oft passiert ist, wenn das Kind geschlafen hat und gerade aufwacht, dass ich nicht weiß ob’s Bewegungen im Zuge des Aufwachens oder Signale zum Harndran sind. Da geht dann auch immer wieder was daneben.
- Manchmal brauch ich auch einfach zu lange. Er gibt ein Signal, ich zögere, er gibt das Signal nochmal, ich spring auf (so schnell das mit Baby im Arm halt geht ^^) und renn ins Bad, wo er ins Waschbecken machen soll, und am Weg passiert’s und er macht in die Windel bzw. macht genau wenn ich ihn ablege um ihm die Windel auszuziehen.
- In der Nacht schlaf ich einfach „zu gut“ und werde oft nicht rechtzeitig munter. Immer wieder finde ich eine volle Windel, wenn er dann lange oder heftig genug herumwebert, weil er Hunger hat.
- Manchmal bin ich auch zu ungeduldig: Ich meine ein Signal zu sehen – weil ich ja oft zu langsam bin – sprinte ich los, halte ihn ab und es tut sich nichts. 2 Minuten später hat sich immer noch nichts getan. 5 Minuten später immer noch nicht. Die Signale sind aber die gleichen und ich bin mir eigentlich sicher dass er muss. Also warte ich nochmal. Nichts. Dann zähle ich gerne bis 30. Nichts. Dann reicht’s mir und ich geh wieder zum Windel anziehen. Und schwups, kaum leg ich ihn ab pinkelt er. Ich weiß nicht woran das liegt.. Vlt. weil er erst beim liegen am Wickeltisch entspannen kann? Ich weiß es nicht.
- Mittlerweile „spielt“ er auch bzw. wir mit ihm. Dabei strampelt er sowieso, da ist es dann (gerade jetzt wo das beginnt) auch schwer zu erkennen ab welchem Punkt es kein „Spiel-Strampeln“ mehr uns und ab wann es dann „Klo“ bedeutet.
- Manchmal bin ich einfach zu wenig achtsam. Ich schau einfach nicht so genau und bemerkt das „Signal-Zappeln“ nicht, wenn ich grad irgendwas tue oder erledigt (Haushalt, kochen, selber mal aufs Klo gehen, an einem Blogpost schreiben oder mal mit dem „Handy spielen“) oder wenn jemand bei uns bzw. wir bei jemand anderem zu Besuch sind und ich zB zu sehr in eine Gespräch vertieft bin.
- In dem Zusammenhang: Manchmal „will ich’s auch nicht merken“. Manchmal muss das Baby halt auch „im falschen Moment“, zB wenn ich mich endlich mal mit einem anderen Menschen über etwas Interessantes unterhalten kann und in ein Gespräch vertieft bin. Oder wenn ich nach stundenlangem Hunger endlich mal was zum Essen am Teller liegen habe. Dann will ich einfach auch nicht unterbrechen und „übersehe“ die Signale dann. Ich bemerk das Zappeln oft wirklich nicht richtig, aber wenn ich dann die volle Windel sehe weiß ich sofort wann’s passiert sein muss.
Stress oder kein Stress?
Immer wieder werde ich gefragt, ob mich das nicht zu sehr stresst, weil ich ja immer schauen und beim Baby sein muss und auch sofort springen muss.
Ja, stimmt – ich muss immer schauen, immer beim Baby sein, allzeit bereit sein und alles liegen und stehen lassen, wenn’s soweit ist.
Aber nein, das stresst mich nicht. Ich lass mich halt nicht stressen.
Ich wollte eig. nie das Kind in ein Zimmer legen und selber in einem anderen sein und dann warten bis es brüllt, bis ich wieder nachschauen gehe. Somit stresst mich das „ständig“ beim Kind sein nicht, wäre ich so oder so nicht anders machen.
Wenn ich keine Zeit oder keinen Nerv hab, weil ich zB dringend etwas erledigen möchte, mich unterhalte oder draußen unterwegs bin, hat er halt eine Windel an bis ich’s wirklich raus hab und mich mit dem nächsten Schritt wohl fühle.
Unterwegs hat er sowieso eine Windel an, weil es mich zugegebenermaßen aktuell noch furchtbar stressen würde, wenn ich dann beim Billa oder im Lokal ein nasses Kind hab, dass ich jetzt sofort umziehen muss. Es würde mich auch das abhalten zB am Klo eines Lokals noch zu sehr stressen – eben weil ich’s nicht noch nicht so gut kann und dann doch oft noch einige Minuten stehe bis er macht. Die Blicke und Kommentare von Fremden, wenn ich stehe und warte, möchte ich mir einfach sparen.
Auch das immer bereit sein müssen und alles unterbrechen müssen, wenn er muss, macht mir keinen Stress. So ist das halt mit Baby und das hab ich ja schon vor der Schwangerschaft gewusst und mich trotzdem dafür entschieden.
Also nein, im Allgemeinen stresst mich Windelfrei nicht. Wie gesagt, ich lass mich halt nicht stressen.
Meine Vor- und Nachteile
Nachteile sind sicher, dass…
- …Windelfrei, zumindest solang man’s nicht richtig kann, zeitaufwändig ist. Ich renn schon viel ins Bad und steh dann lang vor dem Waschbecken. Einfach Windel wechseln, wenn sie voll ist, geht sicher schneller.
- …man immer wieder laufen muss, weil man ein Signal sieht und nicht will, dass am Weg dann doch alles nass wird. Das kann schon ein gewisser kurzer Stress sein.
- …man außerdem wirklich alles liegen und stehen lassen muss, wenn man „es“ erwischen will.
- …man viel wäscht. Es geht natürlich oft was daneben, gerade wenn man noch keine 99% Trefferquote hat. Aber es wird immer besser. Und ich bin da frohen Mutes, dass es noch weiterhin besser wird.
Die Vorteile überwiegen für mich aber definitiv! Sie sind auch der Grund, dass sich Windelfrei für mich schon jetzt wirklich auszahlt, obwohl ich unsere Trefferquote noch erhöhen möchte. Diese Vorteile sind in meinen Augen, dass..
- …mein Baby nie in nassen, vollgesogenen, schweren und angegackten Windel dasitzen/-liegen muss. Ich stell mir das als ziemlich grauslich vor und würde es selber nicht wollen.
Auch wenn wir Windeln anhaben, freue ich mich voll, dass wir seine Bewegungen schon so gut deuten können, dass wir erkennen, dass gerade etwas „passiert“ ist und können ihn sofort wickeln. (Ich freu mich immer, wenn der „Anzeige-Streifen“ auf der Windel erst beim Wickeln blau wird! So hab ich selbst einen Freunden-Moment, wenn was in die Windel gegangen ist. Immerhin hab ich’s erkannt, war nur bissi zu spät dran.) - …ich in ständigem Kontakt und Kommunikation mit meinem Baby stehe und es und seine Bedürfnisse so auch besser kennen lernen. (Wobei „ständig“ bei mir nicht heißt, dass ich nie das Zimmer in dem das Baby ist verlasse, aber ich lasse es auch nicht liegen bis es wie wild schreit und ich es wieder holen „muss“.)
- …ich mich intensiv mit meinem Baby beschäftige. Nicht nur dass ich weiß wann es was muss, sondern ich nutze die Badezimmer-Zeiten auch für kleine Spielchen. Wenn wir vor dem Waschbecken stehen hat der Kleine die größte Freude in den Spiegel zu schauen und dann tratschen und singen wir und machen lustige kleine Spielchen. So traurig es ist, aber ich würde mir wohl nicht 15x am Tag für 5-10 Minuten zusätzlich Zeit nehmen, um mit meinem Baby zu blödeln. Also die Wartezeit bis das Baby macht hat auch seine Vorteile.
- …ich (bzw. die Eltern) mehr Achtsamkeit lernen. Man muss halt einfach aufpassen und hinsehen.
Mir gefällt das, dass ich im normalen Alltag – täglich viele viele Male – angehalten bin wirklich aufmerksam im Hier und Jetzt zu leben. Ich darf nicht abgelenkt sein, nicht im Gestern oder Morgen leben & das ist doch ein total tolles Geschenk, dass mir mein Baby macht – die Zeit JETZT wahrnehmen und mit meinem Baby gemeinsam genießen.
Wahrscheinlich ist diese Liste bzw. der ganze Beitrag und meine Ausführungen nicht vollständig, das ist halt mein „Wichtigstes“. Falls jemand noch einen Input hat, würde ich mich natürlich über einen Kommentar freuen!
Damit: Fröhliche Baby-Zeit! Mit oder ohne Windel (:
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