Baby Spirit

Mythen rund um die Hausgeburt

Das Thema Hausgeburt polarisiert: Die Einen verstehen den Wunsch nach einer Geburt im häuslichen, familiären Umfeld voll. Die Anderen sehen darin eine tödliche Gefahr.

Als ich verkündet habe, dass ich eine Hausgeburt plane hab ich diese Polarisierung hautnah erlebt. Wilde Schauergeschichten sind an mich herangetragen worden und das Unwissen über den tatsächlichen Ablauf von Hausgeburten, das Ängste erzeugt, ist offensichtlich geworden. 

Diese Reaktionen habe ich zum Anlass genommen, um die häufigsten Vorurteile mal ein wenig zu relativieren. Denn ich finde die Hausgeburt ist ein tolles Erlebnisse, das ihren schlechten Ruf keineswegs verdient.

Meine Top 5 Vorurteile zur Hausgeburt

  1. Eine Hausgeburt ist eine tödliche Gefahr, denn im Notfall gibt es keine (medizinische) Hilfe und man ist der Situation hilflos ausgeliefert. Wenn es wirklich zum Notfall kommt entscheidet allein das Schicksal oder Glück, ob man stirbt oder lebt.
  2. Es gibt keinerlei Möglichkeiten zu bestimmen, ob es Kind und Mutter während der Geburt gut geht.
  3. Eine Hebamme darf nichts und kann nichts, sie sitzt nur herum und schaut. Ganz im Gegenteil zu einem Arzt, der ist viel wichtiger bei einer Geburt.
  4. Hausgeburten müssen viel schmerzhafter sein.
  5. Eine Hausgeburt macht voll viel Dreck und man kann seine Wohnung vor lauter Besudelung kaum noch nutzen. Außerdem wo ist das Krankenhausbett?

1. „Eine Hausgeburt ist eine tödliche Gefahr, der man hilflos ausgeliefert ist.“

Das Schlimmste, dass ich mir anhören musste, war als ich durch die Blume gefragt wurde, ob ich mein Kind gleich bei der Geburt umbringen möchte.
Natürlich nicht! Auch ich will nur das Beste für mein Baby – und das von Geburt an. Aber trotzdem möchte ich auch ein schönes und entspanntes Geburtserlebnis. Und das hat für mich etwas mit Natürlichkeit und entspannter Atmosphäre zu tun und eben nichts mit einem Krankenhaus.

Die Begründung für diese Aussage waren die unzähligen Schauergeschichten, die man mir über Geburten erzählen konnte. So viel habe man schon gehört, so viel könne schief gehen. Es braucht also immer einen Arzt in unmittelbarer Nähe, denn es gäbe ja kaum komplikationsfreie Geburten.

Und bei einer Hausgeburt ist man bei Komplikationen oder gar einem Notfall der Situation ja hilflos ausgeliefert. Man sitzt zu Hause und kann nichts tun außer abzuwarten und zu hoffen. Über Gedeih und Verderb entscheidet dann nur mehr das Glück.

Kurzum: Die Abwesenheit eines Arztes bei einer Geburt ist zumindest massiv fahrlässig, wenn nicht sogar schon vorsätzlicher Mord.

Diese Einstellung hab ich mehr als nur einmal erlebt.

Aber meine Entscheidung stand fest: Eine Hausgeburt soll’s sein. 

Erstens ich bin nicht der Meinung – und hab’s jetzt hautnah erlebt – dass jede Geburt zur tödlichen Gefahr wird. Ich bin der festen Überzeugung, dass die Natur eigentlich alles sehr gut eingerichtet hat und grundsätzlich Geburten ganz ohne jegliche Interventionen funktionieren. Wenn nämlich so viel schief gehen würde, wäre die Menschheit bisher doch schon ausgestorben.

Tatsächlich verstehe ich nicht ganz warum Krankenhausgeburten mittlerweile als normal gelten und Hausgeburten so abwegig sind. In Krankenhäusern gebären Frauen in unseren Breiten vlt. seit meiner Elterngeneration. Meine Großeltern sind alle noch zu Hause geboren worden und sogar meine Mama und deren Geschwister wurden von meiner Oma zu Hause auf die Welt gebracht. Also von „normal“ kann bei einer Krankenhausgeburt eigentlich keine Rede sein, eher von „neumodisch“.

Zweitens werden im Zuge der Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen in der Schwangerschaft schon sehr viele Gefahrenquellen ausgeschlossen. Weiß man vorher, dass Komplikationen wahrscheinlich oder gar eine natürliche Geburt unmöglich ist, wird ja ohnehin keine Hausgeburt gemacht. 

Drittens ist man bei einer Hausgeburt natürlich nicht allem hilflos ausgeliefert und kann einzig warten und hoffen. Einerseits wird während der Geburt geschaut, ob eh alles normal verläuft. Andererseits kann im Notfall natürlich reagiert werden. 

Hausgeburten und Notfälle – ABBRUCH!

Hebammen ist eine ausgebildete und erfahrene Geburtshelferin (oder Geburtshelfer). Sie können Gefahren gut abschätzen und dementsprechend darauf reagieren.
Und natürlich wird eine Hausgeburt im Notfall abgebrochen.
Man schaut nicht, ob’s Mutter und Kind glücklicherweise unbeschadet überleben, sondern es wird reagiert. 

Mit Tatü-Tata ins Krankenhaus

Bei einem wirklichen Notfall – zB Herztöne des Kindes passen nicht, Blutungen der Mutter oder bei sonstigen schwerwiegenden Komplikationen – bricht die Hebamme die Geburt ab und ruft die Rettung. 

In Österreich und insbesondere in der Stadt, wie etwa in meinem Fall, ist die Rettung schnell da und das nächstgelegene Krankenhaus mit Geburtsstation schnell erreicht. Und um Mutter und Kind für den Transport zu stabilisieren haben Hebammen bei einer Hausgeburt auch immer Medikamente dabei.
Natürlich dauert der Transport von zu Hause ins Spital länger, als wenn man schon im Spital ist. Aber dafür wird bei Hausgeburten in wackeligen Situationen nicht so lange zugewartet, sondern lieber früher als später ins Krankenhaus verlegt. Das hat meine Hebamme bei den Vorgesprächen immer wieder betont. Und ich denke, dass das Risiko am Transportweg wirklich zu schaden zu kommen in Wien – also mit recht kurzen Wegen – überschaubar ist.

Anmeldung im Spital für „kleine Zwischenfälle“

Neben wirklichen Notfällen gibt es auch andere Situationen, in denen es ratsam ist die Hausgeburt abzubrechen und die Geburt ins Spital zu verlegen.
Wenn etwa trotz Blasensprung die Geburt nicht startet oder die Geburt nicht voranschreitet und ein Wehenmittel verabreicht werden muss. Ein anderer Grund könnte sein, dass die Frau die Schmerzen nicht aushält. Da nur Ärzte Scherzmittel verabreichen dürfen ist das bei einer Hausgeburt also ausgeschlossen.

Für solche Fälle habe ich mich trotz meines Wunsches nach einer Hausgeburt in einem Spital zur Geburt angemeldet – natürlich mit dem Hinweis, dass ich eigentlich eine Hausgeburt plane.

Weniger Notwenigkeit für medizinische Intervention bei Hausgeburten?

Was ich ganz spannend finde ist, dass statistisch gesehen und auch den Gesprächen mit unserer Hebamme nach bei Hausgeburten weniger Interventionen nötig sind.

Zum Beispiel kommt es bei Hausgeburten zu weniger Dammrissen und somit muss weniger genäht werden. (Nähen darf die Hebamme aber übrigens, falls es notwenig ist. Also dafür muss man nach einer Hausgeburt nicht extra ins Spital fahren.)

Was unsere Hebamme erzählt hat ist etwa auch, dass die Häufigkeit von schlechten Herztönen des Kindes aufgrund von zu schnell voranschreitenden Geburten und somit die Notwenigkeit für einen Kaiserschnitt bei Hausgeburten geringer ist als bei Geburten im Spital. Warum? Weil bei Hausgeburten von Anfang an weniger interveniert wird. Wird etwa zu schnell und zu leichtfertig ein Wehenmittel verabreicht und werden die Wehen damit so schnell und so intensiv kann das für viele Kinder überfordernd sein und sich somit ihre Herztöne verschlechtern.

Auch die Nachgeburt muss im Spital möglichst sofort nach der Geburt kommen. Es ist keine Zeit, dass man eine halbe Stunde oder Stunde oder sogar mal bis zu zwei Stunden wartet, ob die Nachgeburt von alleine leicht raus kommt. Nein, im Spital wird gleich herumgedoktort. 

Das sind schon drei so Beispiele, die mich stutzig machen, ob im Spital alles so super ist. Ob nicht zu viel Medizin eigentlich ins Gegenteil der eigentlichen Absicht, nämlich Gutes zu tun und zu unterstützen, umschlägt und dann eben negative Auswirkungen nach sich zieht. Ich glaub ja. Vieles denke ich verläuft natürlich und mit genügend Zeit für den Körper (für Mutter und Kind) am Allerbesten.

ABER NATÜRLICH BIN ICH UNHEIMLICH FROH, DASS ES DIE MODERNE MEDIZIN GIBT! Es ist sicher so, dass die Kinder- und auch Müttersterblichkeit durch die moderne Medizin drastisch gesunken ist. Das möchte ich natürlich nicht negieren.

Wenn die Plazenta vor dem Muttermund liegt ist nur ein Kaiserschnitt möglich, um das Leben von Mutter und Kind zu retten. Wenn das Kind quer im Bauch liegt wird eine natürliche Geburt auch nicht möglich sein. Und wenn es andere seltene Komplikationen gibt, wie etwa dass die Nabelschnur zu kurz ist und deshalb das Kind nicht raus kann, weil es zurückgehalten wird, ist es auch toll, dass man das Kind sicher per Kaiserschnitt holen kann.

Und auch nach der Geburt und im ganzen restlichen Leben bin ich super froh, dass wir hier in Europa oder Österreich jederzeit zum Arzt gehen, uns durchchecken lassen und wenn wirklich etwas nicht stimmt uns behandeln lassen können. 

Aber gleichzeitig bin ich dafür nur das (schul-) medizinisch zu behandeln was wirklich behandelt werden muss.

Ich möchte nicht bei jedem Schnupfen Antibiotika schlucken, wenn’s auch mit inhalieren weg geht. Oder ständig Vitamin-Präparate einnehmen, weil das einfacher ist als sich gesund und ausgewogen zu ernähren.

Und auch eine Geburt gehört für mich zu den Dingen, die per se keine medizinische Behandlung verlangen, sondern ein natürlicher Vorgang ist, der in den allermeisten Fällen ganz ohne Interventionen auskommt.

2. „Bei Hausgeburten tappt man im Dunkeln, ob es Mutter und Kind während der Geburt gut geht.“

Blödsinn!

Bei Hausgeburten muss in Österreich immer eine Hebamme anwesend sein. (Alleingeburten sind hierzulande verboten.) Und den Berufsstand der Hebamme gibt’s ja, weil das Menschen sind, die sich in ihrer Ausbildung und täglichen Arbeit speziell mit Schwangerschaft, Geburt und der Zeit danach beschäftigen und sich gut auskennen.

Hebammen können also sicherlich ganz gut einschätzen, ob es Mutter und Kind (den Umständen entsprechend) gut geht oder nicht. (Vlt. sogar besser als ein Arzt, der immer nur bei Komplikationen hinzugezogen wird.)

Ich war immer wieder erstaunt was die Hebamme in der Schwangerschaft immer über das Kind wusste. Es war bei uns zeitlich oft so, dass ich ein bis zwei Tage vorher beim Frauenarzt war und da ja auch ein Ultraschall gemacht wurde. Und dann war die Hebamme da und sie wusste genau wie das Kind liegt – nämlich genau so wie wir es am Tag zuvor beim Ultraschall gesehen haben. Auch die Gewichtsschätzung der Hebamme nur mittels abtasten meines Schwangerschaftsbauches deckte sich exakt mit den Messungen der Frauenärztin im Zuge des Ultraschalls. (Und wir haben natürlich nichts verraten was die Ärztin gesagt hat, sondern immer zuerst die Einschätzung der Hebamme abgewartet. Schummeln, ging also nicht.)

Um die Situation während der Geburt beurteilen zu können hat meine Hebamme bei meiner Hausgeburt zwei Untersuchungen durchgeführt: 

Einmal die vaginale Untersuchung, um den Muttermund zu untersuchen – also zu bestimmen wie weit er schon offen ist – und ob eh der Kopf des Kindes unten ist, wie schon die ganze Zeit in der Schwangerschaft.
Diese Untersuchung haben wir bei meiner Geburt 1x gemacht, weil bei mir eh alles gut vorangegangen ist, sodass mehrmalige Untersuchungen, die mich nur in meiner Geburtsarbeit unterbrochen und gestört hätten, gar nicht nötig waren.

Weiters hatte unsere Hebamme auch ein kleines Gerät mit, das die Herztöne des Kindes ausgegeben hat. Man musste den „Hörkopf“ nur an meinen Bauch halten und es wurden die Herztöne hörbar gemacht. Also eine punktuelle Überprüfung der Herztöne des ungeborenen Kindes wird auch bei der Hausgeburt gemacht.
(Das punktuelle ist für mich auch ein Vorteil für die gebärende Frau, weil man so nie an ein Gerät angeschlossen ist und an Ort und Stelle bleiben muss, sondern man jederzeit frei ist sich zu bewegen wie man möchte. Es wird nur kurz das Gerät angehalten und 30 Sekunden später ist die Untersuchung fertig.)

Da bei mir alles bilderbuchmäßig abgelaufen ist hat’s es bei mir nicht mehr an Untersuchungen gebraucht. Es gäbe aber noch weitere Möglichkeiten.

Den Allgemeinzustand und den Geburtsfortschritt intensiv zu beobachten ist wohl die wichtigste Maßnahme, da hier viel abgelesen werden kann. 

Von völligem im Dunkeln tappen bei einer Hausgeburt kann also keine Rede sein. 

3. „Hebammen dürfen und können nichts – nur ein Arzt weiß alles.

Immer wieder hab ich gehört, dass eine Hebamme ja keine Medizinerin ist und keine Ahnung hat. Also einerseits sind Hebammen ausgebildete und erfahrene GeburtshelferInnen. Also die wissen schon einiges zum Thema Schwangerschaft, Geburten und die Zeit danach.

Außerdem wurde ich immer wieder gefragt, ob mir eine Hebamme den überhaupt helfen kann, weil dies oder das kann man doch nur im Spital machen?!

Also man kann mehr als gedacht auch bei einer Hausgeburt machen:

Die diesbezügliche häufigste Frage kam zu Dammverletzungen und -schnitten. Also ja, eine Hebamme darf einen Dammschnitt machen und sie darf auch Geburtsverletzungen am Damm nähen. Natürlich, wenn die Frau blutet wie verrückt wird die Hebamme nicht nähen und sagen „passt schon“. Selbstverständlich wird die Frau dann ins Spital verlegt. Aber wie oft kommt das vor? Den Erfahrungen unserer Hebamme nach, sehr selten. (Wohl auch weil bei einer Hausgeburt die Zeit da ist, dass sich das Gewebe langsam dehnen kann, weil kein zusätzlicher Druck, zB durch die Gabe von Wehenmitteln, gemacht wird.)

Eine wieder Frage war zu den Schmerzen: Nein, eine Hebamme darf keine Schmerzmittel verabreichen – das dürfen nur Ärzte.
Was sie aber darf ist ein leichtes Schmerzmittel (vergleichbar mit einem Kopfwehpulverl) für die Nachgeburt zu geben. Angeblich (hab ich selber nicht erlebt) können die Nachwehen bei Mehrgebährenden (also Frauen, die nicht das erste, sondern das zweite, dritte, vierte,… Kind auf die Welt bringen) nochmal recht schmerzhaft sein bzw. dann sogar mehr wehtun als die eigentliche Geburt.

Dazu kommt, dass ich glaube, dass Hebammen, die Hausgeburten begleiten, einen recht natürlichen Zugang zu Geburten haben. Sie nehmen sich einfach die Zeit, die auch die Körper von Mutter und Kind brauchen, um natürlich zu gebären. Bei Hausgeburten gibts nicht den Stress wie im Spital, dass alles zack zack gehen muss, damit die nächste Frau entbinden kann. Dadurch entsteht vlt auch der Eindruck, dass die Hebammen bei Hausgeburten nur „zuschauen können“, einfach weil sie sich Zeit nehmen zuzuwarten und nicht wie im Spital gleich intervenieren. Das ist aber dann meiner Meinung nach eine dramatische Fehlinterpretation als „nichts können“. Denn eigentlich zeigt das für mich viel mehr Verständnis einer Geburt als das vorschnelle medizinische Eingreifen. 

4. „Hausgeburten sind viel schmerzhafter.“

Die überbordende Angst vor Geburtsschmerzen ist offensichtlich sehr weit verbreitet..

Ich wurde immer wieder gefragt wie das mit den Schmerzen ist, ob mir die Hebamme was geben darf. Als ich dann geantwortet habe, dass eine Hebamme ja kein Arzt ist und deshalb keine Medikamente verabreichen darf, ich also auch keine Möglichkeit auf medikamentöse Schmerzmilderung während der Hausgeburt habe, wurde ich oft mit sehr großen Augen und voller Verwunderung, dass ich trotzdem eine Hausgeburt haben will, angesehen.
Wenn im Gespräch dann auch noch herausgekommen ist, dass Hausgeburten in der Regel länger dauern als Spitalsgeburten (weil eben viel weniger zB durch Wehenmittel eingegriffen wird) war das Entsetzen oft groß.

Trotz des Faktes, dass Hausgeburten oft länger dauern (lt. Hebamme sind 12-20 Stunden durchaus nichts Ungewöhnliches) und keine Schmerzmittel verabreicht werden dürfen, werden Hausgeburten Studien nach als weniger schmerzhaft empfunden als Geburten im Krankenhaus.

Wie kann das bloß sein? Die Erklärung scheint zu sein, dass sich die Frauen einerseits damit auseinandersetzen, dass es einen gewissen Geburtsschmerz geben wird und sie aber nicht auf Schmerzmittel zur Linderung bauen können. Andererseits dürfte das entspannte Umfeld in den eigenen vier Wänden helfen sich so zu entspannen, dass man besser mit den Schmerzen umgehen kann.

Das ist auch der Eindruck den ich persönlich gewonnen hab:

Ich hab mir im Vorfeld nie den Kopf darüber zerbrochen, dass eine Geburt ja so stark weh tun wird. Ja, ich wusste dass es schon weh tut, aber von Schmerzen stirbt man ja nicht, Millionen Frauen vor mir haben’s schon ohne Schmerzmittel geschafft und ich hab auch schon oft genug gehört, dass der Geburtsschmerz durchaus aushaltbar ist (ein Hoch auf die Hormone!).

Außerdem hat’s mir sicher geholfen, dass ich mich an unserem Geburtsort wirklich wohl gefühlt hab. Ich konnte mich dort hinbewegen wo ich wollte: Ich habs im Schlafzimmer vor dem Bett kniend versucht. (Im Bett liegen hätte ich überhaupt nicht gewollt. Das hat sich ganz falsch angefühlt.) Dann bin ich in die Badewanne gegangen. Eine Zeit lang war ich am Klo, weil ich mich zuerst übergeben musste und dann war’s am Klo (also in dem kleinen Raum) mit Decken zum drauf sitzen auch ganz nett. Schlussendlich bin ich ins Wohnzimmer und hab mich vor die Bettbank gekniet.

Ich hab einiges ausprobieren können, war immer frei mich dort hinzubewegen wo ich wollte. Immer an meiner Seite der Papa und die Hebamme – so eine 1:1 Betreuung einer Hebamme ist schon toll!

Ich hab also mein nettes Platzerl gefunden und konnte dort genau so tun wie ich wollte. Ich durfte sitzen, gehen, stehen oder eben knien.
Ich konnte laut sein oder leise. Zuerst war ich ganz ruhig und hab mir geistig Satzerl – Art Mantras – aufgesagt und dann bei den Presswehen hab ich vor mich hergebrummt. Alles war erlaubt, alles war ok.

Und da ich ausschließlich von Menschen umgeben war, die ich dabei haben wollte – der Papa, die Hebamme, die ich ja auch kennen gelernt hab und die mir total sympathisch war bzw. ist und sogar mein Hund – konnte ich mich einfach fallen lassen und auch wirklich das ausleben, was sich für mich richtig angefühlt hat. Ich hab mich nie zurückgehalten, weil plötzlich ein mir fremder Mensch, zB eine neue Hebamme nach Schichtwechsel oder irgendein Arzt, bei der Tür hereinspaziert ist.

(Und Zusatz-Plus: Da ich alle Menschen kannte, die da waren musste ich gar nicht gschamig sein, was ich im Spital bzw. in einer mir fremden Umgebung, sicher auch gewesen wäre.)

Also all diese Vertrautheit hat mir sicher dabei geholfen mit dem „weh tun“ besser umzugehen. Und im Endeffekt: Die Statistik hat recht – ich hab meine Hausgeburt als nicht über die Maßen schmerzhaft empfunden. Es war alles aushaltbar. Sicher hat’s weh getan, aber ich konnte es gut überleben. (Und nur Minuten nach der Geburt hab ich auch schon vergessen wie weh es genau getan hat. Wieder: Ein Hoch auf die Hormone!)

5. „Hausgeburten machen voll viel Dreck.“

Auch eine der ersten Reaktionen als ich von meiner geplanten Hausgeburt erzählt hab war: „Kannst du dann je wieder in deinem Bett schlafen, wenn du’s bei der Geburt so dreckig machst?!“. Irgendwie fand ich den Gedanken voll lieb:

Einerseits, kein Mensch bekommt sein Kind wirklich im Bett, wenn sie sich’s aussuchen kann. Das ist wieder nur so eine blöde Erfindung von Krankenhäusern, die eigentlich voll vertrottelt ist. (Und das Bett hat sich für mich auch ganz falsch angefühlt. Nie hätte ich unter der Geburt im Bett liegen wollen.)

Andererseits, nein! Warum soll ich mich ekeln? Eine Geburt ist nun wirklich nichts ekeliges und warum soll mir grausen, wenn das was in mir drin war raus kommt? Ich ekel mich ja auch nicht 9 Monate lang vor meinem Bauch ^^

Insgesamt finde ich auch nicht, dass meine Hausgeburt viel Dreck gemacht hat:

  • Ein Mistsackerl (rund 30 Liter) sollten wir bereithalten. Das ist voll und dann einfach entsorgt worden. Darin waren „Krankenhausunterlagen“ (also Schondackerl bei denen unten Plastik ist und oben so eine saugfähige Auflage), Küchenrolle bzw. Klopapier (das hab ich zerknüllt bzw. bin damit „sauber gehalten worden“ – jaja, sehen wir den Tatsachen ins Auge auch wenns bissi ein Tabu ist: Bei einer Geburt kommt viel Druck nach unten und da kommt dann nicht nur ein Kind raus..), Einweghandschuhe, die die Hebamme anhatte und mehr weiß ich nicht – ich hatte schließlich besseres zu tun als darauf zu achten was ich an Mist produziere.
  • Dann sind noch einige Handtücher bissi blutig geworden. Das ist aber gleich mit kaltem Wasser ausgeschwabt worden und somit haben die Handtücher jetzt gar nichts.
  • Eine Unterlage, die die Hebamme mitgebracht hat ist blutig geworden, die haben wir dann auch in der Waschmaschine gewaschen.
  • Meinen Bezug von der Bettdecke hab ich in der ersten Nacht ein bissi angeblutet, aber auch die haben wir einfach kalt ausgewaschen und dann in die Waschmaschine geschmissen.

Also insgesamt nicht so viel Dreck, oder? In Wirklichkeit ein Mistsackerl und 2 Maschinen Wäsche

Einige haben vermutet, dass der Boden bzw. bei uns Teppich, der am Geburtsort liegt, in Mitleidenschaft gezogen wird, aber nein, der ist völlig unberührt. 

Also das Argument mit dem vielen Dreck zieht überhaupt nicht. 

Was evtl. tatsächlich gegen eine Hausgeburt sprechen könnte

Was ich mir als Argument gegen Hausgeburten voll verstehe ist folgendes – denn natürlich gibt’s immer auch „Schattenseiten“:

„Armer“, ausgelasteter Papa

Weil wir eben gerade von „Dreck“ gesprochen haben: Alles was anfällt – also Mist wegräumen, Wäsche waschen, kochen, putzen, wickeln, Kind umziehen, in unserem Fall mit dem Hund Gassi gehen, etc. bleibt am Papa oder sonst einer anderen Person hängen – die frisch gebackene Mutter kann jedenfalls nicht erledigen.

Die Mutter ist nach einer Geburt wohl verständlicherweise erledigt. Ich bin nur mehr ins Bett gegangen, war dann voll überfordert, dass ich jetzt noch lernen musste wie man stillt und hab dann einfach mal geschlafen.
Und weil bei Wochenbett „Bett“ drinnen steckt hatte ich von der Hebamme auch mal Bettruhe verordnet bekommen. Die ersten Tage möglichst wenig stehen, gehen oder sitzen, weil der Beckenboden noch bissi beleidigt ist und man will ja nicht, dass das ganze Blut da runter rinnt.

Das bedeutet aber auch, dass alles der Papa machen musste. Sogar inkl. wickeln, weil ich ja nicht beim Wickeltisch stehen sollte. Weil ich auch nicht viel aufstehen sollte musste er mir auch alles anreichen – sei es Essen, Trinken, Handy, Buch, Taschentuch, alles einfach. Dazu kommt noch, dass er kochen musste – die Mutter soll ja schließlich wieder zu Kräften kommen und muss was essen. Und plötzlich mussten wir täglich Wäsche waschen, was natürlich auch der Papa erledigen musste. Und weil wir ja alle gemeinsam zu Hause waren hat auch er in der Nacht nicht schlafen können, wenn das Baby um 3 in der Früh beschlossen hat es hat jetzt Hunger und fängt mal zu weinen an. 

Also für den Papa ist die rund um die Uhr Betreuung inkl. Haushalt sicher kein Zuckerschlecken. Wenn man niemanden hat der immer da ist, weil der Papa zB in die Arbeit muss, verstehe ich, dass man aus organisatorischen Gründen sagt, dass die Hausgeburt nicht passt.

„Ich fühle mich mit Arzt sicherer“

Ich kann das nicht ganz nachvollziehen, finde es aber prinzipiell voll ok, wenn eine Frau sagt, sie fühlt sich bei dem Gedanken nicht wohl, dass kein Arzt greifbar ist. 

Ich kann mir das als Argument für mich gar nicht vorstellen, weil ich davon ausgehe, dass die Natur alles so eingerichtet hat, dass prinzipiell alles gut geht und kein Arzt von Nöten ist. Aber wenn jemand weiß, dass ihn genau diese Abwesenheit eines Arztes nervös machen würde, dann ist eine Hausgeburt wohl wirklich nicht das Richtige. 

Finde ich auch voll ok, sowas zu sagen und lieber ins Spital zu gehen. Einzig was ich nicht ok finde, ist wenn Menschen, die diese Einstellung haben, mir meinen Wunsch nach einer ganz natürlichen (Haus-)Geburt nicht lassen wollen, sondern ihn nur kritisieren. 

Zum Abschluss

Alles was ich oben geschrieben hab basiert nur auf meiner eigenen Meinung. Ich bin kein Arzt, keine Hebamme, ich hab wenig Erfahrung mit Geburten – ich hab genau meine Geburt erlebt.

Es gibt sicher noch viel mehr Aspekte, auf die ich einfach nicht draufgekommen bin, weil sie mich nicht betroffen haben.

Ich möchte mit dem Beitrag auch niemanden zur Hausgeburt bekehren oder schon gar nicht verteufeln, dass jemand für seine Geburt ins Krankenhaus geht. 

Meiner Meinung soll jeder machen dürfen was er oder sie möchte. Wenn jemand sich im Spital wohler fühlt ist es doch toll, dass man dort hin gehen kann. Aber wenn ich mich bei einer Geburt zu Hause wohler fühle, möchte ich auch ohne überbordende Kritik von allen Seiten zu Hause gebären dürfen.

Der Beitrag soll einfach nur gewisse Vorurteile aufgreifen und vlt. entkräften, mit denen ich konfrontiert wurde. Im Idealfall zeigt der Beitrag ein halbwegs realistisches Bild einer Hausgeburt und kann gewisse Ängste nehmen.

 

Falls noch jemandem etwas Wichtiges einfällt, das noch ergänzt gehört, würde ich mich natürlich über einen Kommentar und über den Austausch freuen!

In dem Sinne – fröhliche und unkomplizierte Geburten, egal wo sie denn sind!

 

PS: Das Beitragsbild ist 3 Tage nach der Geburt am Geburtsort entstanden.

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